Bürgermeisterwahl

Mit offenem Visier
Von Dorothée Schenk [20.09.2015, 21.13 Uhr]

Es gehört schon viel Lokalpatriotismus dazu, um sich die tiefe Zuneigung zu Jülich derzeit zu erhalten. Nicht nur auf den Plattformen und in den Foren des Internets herrscht eine latent aggressive Grundstimmung. Zu beobachten sind Strippenziehereien hinter den Kulissen und eine Art des Umgangs, von der man schon als Fünfjähriger zum erhobenen Zeigefinger die Worte „Das macht man nicht“ hörte. Teil 2.

Die Bürgermeisterwahl bestimmt nicht erst seit der Stichwahl die politische Stimmung in Jülich. Ausgegangen ist sie, wie die Spatzen es in den letzten Tagen von den Dächern pfiffen: Eine Kopf-an-Kopf-Entscheidung der Kandidaten Frank-Peter Ullrich (SPD/CDU), Axel Fuchs (Parteilos) und Heinz Frey (JÜL). Lediglich die Reihenfolge wurde intensiv diskutiert. Heinz Frey hat wie erwartet sein „Heimrecht“ auf den Dörfern verteidigt, nur knapp überholte ihn der „Newcomer“ Fuchs, der durch acht von zehn gewonnen Innenstadtbezirke den Vorsprung errang. Gleichzeitiger Gewinner und Verlierer der Wahl ist Frank-Peter Ullrich. Gestartet mit einer satten Mehrheit von 58 Prozent, die die große Koalition als Wahlergebnis aus der Kommunalwahl in die Waagschale warf, brachte er nur knapp 34 Prozent der Wähler hinter sich. Die Gründe zu diskutieren ist müßig. Jetzt geht es in die nächste Runde, und hier sind die Karten neu gemischt. Nun gilt es, Mehrheiten zu mobilisieren.

Noch am Abend der Wahl haben die unterlegenen Mitbewerber um das Amt des Bürgermeisters JÜL-Frontman Heinz Frey und Michael Lingnau als Einzelbewerber mit CDU-Parteibuch die Wähler aufgefordert, ihre Stimme nun dem Jülicher Stichwahl-Kandidaten Fuchs zu geben. Bereits im Juni hatte sich die FDP auf die Unterstützung von Axel Fuchs festgelegt. Am Montag nach der Wahl stand auch für den Grünen-Bewerber Jürgen Laufs mit dem Votum seiner Partei diese Empfehlung fest. Die Plakate in den Jülicher Wahlbezirken und die Präsenz aller Unterstützer am Wahlkampfstand legen davon und dem Bekenntnis für die „Jülicher Lösung“ beredtes Zeugnis ab.

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Immer noch stehen die 58 Prozent Mehrheit CDU/SPD im Raum. Ob es der großen Koalition gelingt, ihre Wähler noch einmal zum Urnengang zu bewegen und ihr Kreuz hinter den gemeinsamen SPD-Kandidaten aus Arnoldsweiler zu machen, ist unklar. Einen Dank an die Wähler haben beide Parteien bis heute nicht ausgesprochen – auch nicht an den Kandidaten, der einen langen Wahlkampf hinter sich hat und sich auf das Wagnis eingelassen hat. Ein Wahlaufruf ist seit Dienstag bei der CDU und seit Freitag bei der SPD hochgeladen.

Dass Elmar Fuchs, Kopf der Ratsmehrheitspartei CDU, der auf der Mitgliederversammlung von Ullrich als dem „besten Kopf für Jülich“ sprach, am Abend der Wahl durch Abwesenheit im Rathaus glänzte und nicht an der Seite seines Kandidaten stand, war ein fragwürdiges Signal für die CDU-Mitglieder. Da zeugt auch der „Brandbrief“ von Elmar Fuchs an alle Jülicher Parteigänger (liegt der Redaktion vor) mit unfreundlichen Seitenhieben auf die Unterstützer von Axel Fuchs nicht von Souveränität. Zumal er nach dem Wahlabend um die Unterstützung von Heinz Frey geworben hat. Mit gleicher Intension trat Frank Peter Ullrich an die Parteisprecherin der Grünen heran.

Um die Gunst von Wählern zu werben, Stimmen gewinnen zu wollen in der Überzeugung, der eigene Kandidat dient dem Wohl der Gemeinschaft, ist ehrenwert. Vermutlich ist es idealistisch zu erwarten, dass dies immer mit offenem Visier und aufrecht geschieht. „Politik ist ein schmutziges Geschäft“ heißt es im Volksmund, und obschon es bei der Entscheidung für den Bürgermeister um eine Personenwahl geht, sind die Wahlempfehlungen immer von politischem Kalkül getragen.

„Wahlen allein machen noch keine Demokratie.“ Dieses Zitat wird Barack Obama zugeschrieben. Demokratie heißt auch, Meinungsfreiheit und ein Bekenntnis für einen Kandidaten anzuerkennen und sich ihnen zu stellen. Mit offenem Visier. Um einen anderen angesehenen Politiker, Konrad Adenauer, zu zitieren: "Man darf niemals ,zu spät` sagen. Auch in der Politik ist es niemals zu spät. Es ist immer Zeit für einen neuen Anfang."

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